Kategorie: China

Nanning

Ach, China. So viele wunderschöne Ecken dieses Land hat, so viele Widersprüche sind auch zu finden. Nach einer zügigen Busfahrt waren wir früher als erwartet in Nanning und hatten damit die Chance, den Night Train nach Hanoi zu nehmen. Großstadterfahren war es nicht schwer, sich mit der neuen Metro, die zwar erst zur Hälfte der Strecke fertiggestellt, dafür aber blitzblank ist, und im Anschluss mit den öffentlichen Bussen zum Hauptbahnhof zu begeben. Dort angekommen, wurde mal wieder alles gescannt und dieses Mal mussten wir unser halbes Gepäck auspacken. Sämtliche „Druckdosen“ wie Deos waren nicht erlaubt, aber eben auch keine Messer. Der Leatherman, den sie im Gepäck gefunden hatten, stellte für sie ein Problem dar, die Sicherheitsleute in der Metro konnten wir kurz vorher noch überzeugen, dass der Leatherman nur eine Zange ist. Wir wollten schon anfangen zu diskutieren (was etwas schwierig war, weil auch hier keine Person englisch sprach), als eine Uniformierte dazu stieß mit „SWAT“ auf ihrem Namensschild und sehr forschem Auftritt. Ständig hatten wir Handys mit Übersetzungsprogrammen vor unseren Gesichtern und irgendwann stand darauf „Excuse me, it is not allowed to bring a knife on train.“ Weil wir uns weigerten, den Leatherman einfach abzugeben, mussten wir den Bahnhof verlassen, eine Nacht in Nanning bleiben und am nächsten Tag mit dem Bus weiterfahren. Die ID wurde natürlich auch noch handschriftlich festgehalten, allerdings nur Pauls, obwohl das Messer in Miris Rucksack war. Generell steht hier in jedem öffentlichen Raum, dass sämtliche Dinge, wie essen, trinken, liegen, spucken etc., verboten sind. Für die Güter, die nicht mit in den Bahnhof (!) genommen werden dürfen, gibt es kein einziges Schild und auch der Lonely Planet weist mit keiner Silbe darauf hin. Auch haben wir das Gefühl, dass die Sicherheitsvorschriften etwas willkürlich gehandhabt werden. Sei’s drum, Busfahren ist ebenfalls eine schöne Art zu reisen. Das Ticket zu kaufen bedeutete allerdings eine Odyssee durch fünf verschiedene Travel Agencies, die zwar alle „international“ im Namen trugen, des Englischen aber nicht mächtig waren. Auch waren sie nicht gewillt, unsere Hand- und Fuß-Performance mit Landkarten-Unterstützung und Busgeräuschen zu entschlüsseln. Schließlich wurden wir dann aber doch fündig und ersteigerten ein Ticket für den nächsten Morgen und ein Hotelzimmer mit wenig Charme, das dafür aber günstig war. Abends haben wir erneut einen Food Stall aufgesucht, in dem wir eine große Attraktion darstellten. Laut Lonely Planet ist die Route Nanning-Hanoi inklusive Übernachtung Standard, aber wir konnten keine weiteren nicht-asiatischen Reisenden finden und anscheinend sind Europäer ein eher seltenes Bild. So wurden wir, speziell Miri, beim Essen mehrfach fotografiert, unser Einverständnis stillschweigend vorausgesetzt. Auf einmal hat man eine asiatische Mama an der Schulter hängen und das Handy vor den Gesichtern. Bitte einmal lächeln und fertig ist das Selfie mit der Westlerin.

Yangshuo

Weil wir Grischa und Rolf am 9.10. in Hanoi treffen wollen, mussten wir uns nach 3 Nächten schon wieder auf den Weg machen. Ziel war Yangshuo, das per Boot angesteuert wurde. Ähnlich wie ein Besuch der Reisterrassen ist eine Fahrt auf dem Li River Pflicht eines jeden Touristen hier. Und auch wenn die Golden Week ihrem Ende zugeht, waren wir hier mit einer unüberschaubaren Menge Gleichgesinnter unterwegs. Ähnlich einem Gänsemarsch schipperten wir mit 8 Booten (alle ungefähr der Größe einer HVV-Hafenfähre) den Fluss hinunter. Und auch hier lässt sich festhalten: Gelohnt hat es sich trotzdem. Der Fluss schlängelt sich durch die mit Karstbergen gespickte Landschaft und gibt nach jeder Biegung wieder spektakuläre Ansichten preis. Da die Fahrt allerdings gut 4 Stunden dauert, hatte man sich nach einiger Zeit satt gesehen und ist vor der Sonne ins Schiffsinnere geflohen. Von Zeit zu Zeit stürmten dann alle Chinesen wieder auf das Deck. Ein freundliches taiwanesisches Pärchen erklärte uns mit Augenzwinkern, dass einige Berge wichtiger sind als andere (man kann auf Ihnen Affen sehen, die auf Eseln reiten, Mütter die auf die Heimkehr des Mannes warten und vieles mehr). Unseres, vom uneingeschränkten Zugang zum Internet verdorbenes Vorstellungsvermögen, reichte dazu leider häufig nicht aus. Die Felsformation, die auf dem 20 Yuan-Schein abgebildet ist, konnten wir dann aber doch erkennen.

Yangshuo selbst ist sehr touristisch geprägt und entsprechend warteten eine Menge Souvenirverkäufer, Motobikefahrer etc. nach dem Ausstieg auf dem Pier. Wir hatten uns für eine Nacht ein Hostel etwa 1,5 km nördlich der Stadt herausgesucht und haben uns in der Mittagshitze zu Fuß auf den Weg gemacht. Da wir uns irgendwann nicht mehr ganz sicher waren, noch auf dem richtigen Weg zu sein, hielt Paul ein zufällig vorbeifahrendes Auto an. Zugegeben, Paul war sehr verschwitzt, aber dass ihm als erstes eine Wasserflasche entgegengehalten wurde und dann in einem Englisch, welches mit rudimentär noch wohlwollend umschrieben ist, erklärt wurde, sie würden ihn mitnehmen, egal wohin er wolle, war sehr nett, aber doch etwas übertrieben. Am Ende stellte sich heraus, dass das Hostel nur noch 250m entfernt war, welche wir dann doch noch zu Fuß zurückgelegt haben.

Am Nachmittag liehen wir uns Räder, radelten in die Stadt, zum Busbahnhof (Tickets nach Nanning kaufen), ein bisschen durch die Landschaft, um schlussendlich bei Sonnenuntergang ein Bier am Fluss zu trinken und ein paar Einheimische beim Baden zu beobachten.

Guilin

Schnell konnten wir erst einmal feststellen, dass Google, Facebook, Youtube, Netflix etc. in China nicht funktionieren. Keine der Seiten war aufrufbar. Nach einer kurzen Recherche (mit Bing) und fünf Klicks später hat Paul aber flux einen VPN-Service einrichten können, sodass wir wieder Anschluss an die digitale Welt hatten. Der ist insofern nicht ganz unwichtig, als dass die Reiseplanung heute sehr stark vom Online-Buchen geprägt ist. Die alten Zeiten (in einen Ort fahren, verschiedene Hostels anschauen, verhandeln, entscheiden) sind vorbei. Ohne Onlinereservierung vorab, ist es manchmal schwer, ein passables Zimmer zu bekommen.

Der Ort Guilin liegt sehr idyllisch in einer Landschaft voller Karstberge – das wissen auch die Chinesen und in ihrer Feiertags-Woche genießen sie wie wir diese schöne Gegend. Also befanden wir uns als Touristen inmitten von unzähligen chinesischen Touristen. Das ist auch eine interessante Erfahrung, wir sind auch überhaupt nicht aufgefallen. Am ersten Tag haben wir uns durch die Stadt treiben lassen und sind am Fluss entlangspaziert. Auf dem Night Market konnten wir in einem typisch chinesischen „Restaurant“ sehr stilecht essen, auch wenn wir kein Wort verstanden haben. Allerdings wird seit China auch die vegetarische Ernährung immer schwieriger. Was soll’s…

Am zweiten Tag haben wir uns (zunächst mit großer Skepsis) das komplette Touri-Programm gegeben. Motos sind hier generell nicht ausleihbar und mit dem Rad hätten wir 100km pro Richtung fahren müssen. Buchbar war allerdings nur eine Tour zu den Reisterrassen (zu denen man unbedingt fahren sollte, denn dafür sind wir und die ganzen Menschenmassen schließlich hier), die vorher einen Besuch in einem Minderheiten-Ort beinhaltete. Diese Menschenzoos gehen uns ziemlich ab (besonders Miri), aber es stellte sich heraus, dass in diesem Fall der Ort mit deutschen Museumsdörfern vergleichbar ist und insofern war die Darbietung halbwegs erträglich. Was den Menschenzoo angeht, war es dann eher anders herum. Miri wurde mit auf Selfies gebeten oder als Exot in die Mitte von zwei Kindern gestellt und fotografiert. So ist zumindest Miri jetzt auf mindesten 1502 Selfies zu sehen. Die Reisterrassen waren wunderschön und weil die Felder kurz vor der Ernte stehen, leuchteten sie fantastisch gelb in der Sonne. Es hat sich also alles gelohnt. Auf dem Rückweg staute es sich teilweise „etwas“, aber in Anbetracht der Tatsache, dass vor 2 Tagen eine Gruppe jeweils 8 Stunden für die 100km gebraucht hat (und sich nur 30 Minuten die Terrassen anschauen konnten), war dies aber ertragbar.

Noch etwas zu den „westlichen“ Touristen hier: Es gibt kaum Backpacker; die Reisenden, die man trifft, arbeiten zu 80% in China (davon tatsächlich viele Deutsche) und die verbleibenden 20% besuchen Freunde oder ihre Partner. Erstaunt hat uns auch ein Leihradsystem, das dem StadtRad-System in Hamburg sehr ähnelt. Außerdem sind fast alle Roller, und das sind einige, mit Elektromotor ausgestattet. Und: es gibt überall deutsches Bier.

Fahrt nach Guilin

Aufgrund des guten Verkehrssystems sind wir am nächsten Morgen mit dem Bus und der Metro Richtung chinesischer Grenze aufgebrochen. Als die ersten drei Linienbusse so voll waren, dass keiner mehr einsteigen konnte, schwante uns erst Böses; aber mit 30 Minuten Verspätung konnte unsere Grenzstürmung dann doch beginnen. Die sich anschließenden Metros waren überraschend leer und auch unsere großen Reiserucksäcke kein Problem. Schon in der Nähe der Grenze konnten wir feststellen: China ist nicht Hong Kong. Auf einmal steht nur noch sehr wenig in anderen Schriftzeichen als den chinesischen auf den Schildern, überhaupt spricht nur noch ein Bruchteil der Menschen englisch und alles sieht ein bisschen abgenutzter aus als in Hong Kong. Da wir unsere im Internet gebuchten Bahntickets nicht in Hong Kong abholen konnten, ein Land zwei Systeme – nicht nur in der Politik, mussten wir dies direkt vor der Abfahrt in Shenzen tun. In der ersten Oktober-Woche ist „Golden Week“ (National holidays, alle Chinesen haben frei und reisen selbst, bedeutet: China im Ausnahmezustand), daher wurde uns von allen Seiten gesagt, dass ein nicht vorstellbares Chaos und Ticketschlangen epischen Ausmaßes auf uns warten werden. Entsprechend sollten wir mindestens 3 Stunden vor Abfahrt am Bahnhof sein. Am Ende hatten wir, auch dank guter Vorbereitung, unsere Tickets nach ca. 20 Minuten in den Händen und so 2,5 Stunden Zeit, den Bahnhof zu erkunden. Um in den Bahnhof Shenzen North zu kommen, wird das Gepäck fünf Mal gescannt. Beinahe hätten wir Pauls Reisemesser abgeben müssen, aber nachdem wir mit Händen und Füßen klargemacht haben, dass wir es unbedingt für das Schneiden von Obst benötigen und dann nach dem „Supervisor“ gefragt haben, drehte sich die Security-Frau schlagartig um und ignorierte uns. So konnten wir mit vollständigem Gepäck in Richtung Gate gehen – der (Schnellzug-)Bahnhof funktioniert tatsächlich wie ein Flughafen. Die Fahrt Richtung Guilin verlief dann problemlos, in beim Interieur erstaunlich an den ICE erinnernden Schnellzug. Nach 10 Stunden Trip waren wir dann froh, in unserem Guesthouse anzukommen.