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Dawei

Die Tickets für den Zug waren nur unmittelbar vor der Fahrt zu kaufen und als wir das holzgetäfelte, abgewetzte Ticketoffice am Morgen betraten, fühlten wir uns 100 Jahre in der Zeit zurückversetzt. Alles wurde per Hand sorgfältig auf die Tickets und in die Bücher eingetragen, das Papier sah schon sehr alt und rissig aus und die „Uniformen“ der Bahnmitarbeiter hatten auch einen eher prähistorischen Charakter. Dieser Eindruck währte fort, als wir den Zug bestiegen. Die Briten haben ihn vermutlich angeschafft und hier gelassen, er war ziemlich runtergerockt, der Großteil bestand aus der wortwörtlichen Holzklasse, die Fenster waren offen, es waren also keine Scheiben vorhanden, und Türen zum Schließen der Waggons gab es nicht. Wir hatten uns (für 3€) Sitze in der „upper class“ „gegönnt“, sodass wir auf bezogenen Stühlen Platz nehmen konnten. Unser Abteil war schon gut gefüllt, inklusive einer Großfamilie, die ihren offensichtlich kranken Großvater (?) vom Krankenhausbesuch zurück begleitete (zumindest hatten sie Röntgenbilder dabei), als neben unserem Gleis der Zug aus dem Norden hielt und ein ganzer Schwung Passagiere in unseren Zug umstieg. Damit war auch unser Abteil voll. Mit einer nur 15-minütigen Verspätung ging es los und wir zuckelten und ruckelten in Richtung Dawei, weiter in den Süden – man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, welchen Krach Bahnfahren früher gemacht hat und was für ein Gepolter und Gehüpfe, auch bei niedrigen Geschwindigkeiten, geherrscht hat. Tatsächlich brauchten wir für die Strecke von 160km 8,5 Stunden – inklusive einer Stunde Mittagspause, so viel Zeit muss sein. Die Fahrt führte durch sehr schöne Landschaften mit Plantagen, Dschungel, trockener Steppe und kleinen Örtchen. Weil es keine Türen gab, konnte man sich in die Türöffnung stellen und die Szenerie mal auf ganz andere Weise an sich vorbeiziehen lassen. Das war einfach toll. Um 19h kamen wir schließlich in Dawei an, bezogen nur kurz unser Zimmer, organisierten noch schnell das Taxi für den Grenzübergang am nächsten Tag, bevor wir ausgiebig duschten, denn die lange Fahrt war durch die beständige, aber sehr natürliche Luftzufuhr gleichzeitig recht staubig gewesen.

Nanning

Ach, China. So viele wunderschöne Ecken dieses Land hat, so viele Widersprüche sind auch zu finden. Nach einer zügigen Busfahrt waren wir früher als erwartet in Nanning und hatten damit die Chance, den Night Train nach Hanoi zu nehmen. Großstadterfahren war es nicht schwer, sich mit der neuen Metro, die zwar erst zur Hälfte der Strecke fertiggestellt, dafür aber blitzblank ist, und im Anschluss mit den öffentlichen Bussen zum Hauptbahnhof zu begeben. Dort angekommen, wurde mal wieder alles gescannt und dieses Mal mussten wir unser halbes Gepäck auspacken. Sämtliche „Druckdosen“ wie Deos waren nicht erlaubt, aber eben auch keine Messer. Der Leatherman, den sie im Gepäck gefunden hatten, stellte für sie ein Problem dar, die Sicherheitsleute in der Metro konnten wir kurz vorher noch überzeugen, dass der Leatherman nur eine Zange ist. Wir wollten schon anfangen zu diskutieren (was etwas schwierig war, weil auch hier keine Person englisch sprach), als eine Uniformierte dazu stieß mit „SWAT“ auf ihrem Namensschild und sehr forschem Auftritt. Ständig hatten wir Handys mit Übersetzungsprogrammen vor unseren Gesichtern und irgendwann stand darauf „Excuse me, it is not allowed to bring a knife on train.“ Weil wir uns weigerten, den Leatherman einfach abzugeben, mussten wir den Bahnhof verlassen, eine Nacht in Nanning bleiben und am nächsten Tag mit dem Bus weiterfahren. Die ID wurde natürlich auch noch handschriftlich festgehalten, allerdings nur Pauls, obwohl das Messer in Miris Rucksack war. Generell steht hier in jedem öffentlichen Raum, dass sämtliche Dinge, wie essen, trinken, liegen, spucken etc., verboten sind. Für die Güter, die nicht mit in den Bahnhof (!) genommen werden dürfen, gibt es kein einziges Schild und auch der Lonely Planet weist mit keiner Silbe darauf hin. Auch haben wir das Gefühl, dass die Sicherheitsvorschriften etwas willkürlich gehandhabt werden. Sei’s drum, Busfahren ist ebenfalls eine schöne Art zu reisen. Das Ticket zu kaufen bedeutete allerdings eine Odyssee durch fünf verschiedene Travel Agencies, die zwar alle „international“ im Namen trugen, des Englischen aber nicht mächtig waren. Auch waren sie nicht gewillt, unsere Hand- und Fuß-Performance mit Landkarten-Unterstützung und Busgeräuschen zu entschlüsseln. Schließlich wurden wir dann aber doch fündig und ersteigerten ein Ticket für den nächsten Morgen und ein Hotelzimmer mit wenig Charme, das dafür aber günstig war. Abends haben wir erneut einen Food Stall aufgesucht, in dem wir eine große Attraktion darstellten. Laut Lonely Planet ist die Route Nanning-Hanoi inklusive Übernachtung Standard, aber wir konnten keine weiteren nicht-asiatischen Reisenden finden und anscheinend sind Europäer ein eher seltenes Bild. So wurden wir, speziell Miri, beim Essen mehrfach fotografiert, unser Einverständnis stillschweigend vorausgesetzt. Auf einmal hat man eine asiatische Mama an der Schulter hängen und das Handy vor den Gesichtern. Bitte einmal lächeln und fertig ist das Selfie mit der Westlerin.

Fahrt nach Guilin

Aufgrund des guten Verkehrssystems sind wir am nächsten Morgen mit dem Bus und der Metro Richtung chinesischer Grenze aufgebrochen. Als die ersten drei Linienbusse so voll waren, dass keiner mehr einsteigen konnte, schwante uns erst Böses; aber mit 30 Minuten Verspätung konnte unsere Grenzstürmung dann doch beginnen. Die sich anschließenden Metros waren überraschend leer und auch unsere großen Reiserucksäcke kein Problem. Schon in der Nähe der Grenze konnten wir feststellen: China ist nicht Hong Kong. Auf einmal steht nur noch sehr wenig in anderen Schriftzeichen als den chinesischen auf den Schildern, überhaupt spricht nur noch ein Bruchteil der Menschen englisch und alles sieht ein bisschen abgenutzter aus als in Hong Kong. Da wir unsere im Internet gebuchten Bahntickets nicht in Hong Kong abholen konnten, ein Land zwei Systeme – nicht nur in der Politik, mussten wir dies direkt vor der Abfahrt in Shenzen tun. In der ersten Oktober-Woche ist „Golden Week“ (National holidays, alle Chinesen haben frei und reisen selbst, bedeutet: China im Ausnahmezustand), daher wurde uns von allen Seiten gesagt, dass ein nicht vorstellbares Chaos und Ticketschlangen epischen Ausmaßes auf uns warten werden. Entsprechend sollten wir mindestens 3 Stunden vor Abfahrt am Bahnhof sein. Am Ende hatten wir, auch dank guter Vorbereitung, unsere Tickets nach ca. 20 Minuten in den Händen und so 2,5 Stunden Zeit, den Bahnhof zu erkunden. Um in den Bahnhof Shenzen North zu kommen, wird das Gepäck fünf Mal gescannt. Beinahe hätten wir Pauls Reisemesser abgeben müssen, aber nachdem wir mit Händen und Füßen klargemacht haben, dass wir es unbedingt für das Schneiden von Obst benötigen und dann nach dem „Supervisor“ gefragt haben, drehte sich die Security-Frau schlagartig um und ignorierte uns. So konnten wir mit vollständigem Gepäck in Richtung Gate gehen – der (Schnellzug-)Bahnhof funktioniert tatsächlich wie ein Flughafen. Die Fahrt Richtung Guilin verlief dann problemlos, in beim Interieur erstaunlich an den ICE erinnernden Schnellzug. Nach 10 Stunden Trip waren wir dann froh, in unserem Guesthouse anzukommen.