Vang Vieng

Als wir vor zehn Jahren in diesem Örtchen waren, befanden sich dort ca. 15 Hostels, zahlreiche laotisch-indische Restaurants/Bars und keine einzige Reiseagentur. Die meisten Touristen verbrachten damals ihre Zeit damit, zugekifft in einer der Bars Filme oder Serien in Dauerschleife zu schauen. Eine Trekkingtour, wie wir sie damals unternahmen, war relativ unüblich.

Vang Vieng ist umrundet von einer wahnsinnig schönen Landschaft mit Höhlen und Wasserfällen, die in Becken enden, in denen man schwimmen kann, und mit herrlichen Karstfelsen, durch die sich malerisch ein blauer Fluss schlängelt. Dieses kleine Paradies wurde dem Ort bis 2012 zum Verhängnis. Hinzu kam das sehr offensiv angebotene „Tubing“: In einem aufgeblasenen Traktorreifen-Schlauch ließ man sich den seichten Fluss hinuntertreiben, wobei prima Cocktails geschlürft, Bier getrunken und diverse Drogen konsumiert werden konnten. Das sprach sich herum. Zwischen 2006 und 2012 stürmten Massen an Backpackern und Partytouristen nach Vang Vieng und verwandelten den Ort nach und nach in einen Ballermann, in dem (ihrer Ansicht nach) alles erlaubt war. Dresscodes, Anstand, Rücksicht auf Anwohner gab es nicht mehr, laute Musik dröhnte ununterbrochen aus diversen Bars am Fluss und im Dorf, Vang Vieng galt als DER Partyort schlechthin. Leider gab es nicht nur vermehrt Knochenbrüche von betrunkenen Touristen, die an zu flachen Stellen ins Wasser gesprungen oder mit den Tubes umgekippt waren, sondern 2011 auch ca. 30 Bade-Unfälle, die tödlich endeten.

Das alles passte überhaupt nicht zu dem ansonsten so ruhigen, entspannten Laos. Dies sah eine Delegation von Offiziellen ähnlich, als sie 2011 nach zahlreichen Beschwerden Vang Vieng besuchte und entsetzt von den dortigen Zuständen war. Sofort wurden am Tag darauf alle illegalen Bars (und damit die Mehrheit) geschlossen, es wurde eine Sperrstunde eingeführt und für die verbliebenen Bars und Tubing-Anbieter galten strenge Auflagen. Dies hatte auch einen massiven Rückgang der Touristen zur Folge, denn Party machen konnte man nun nicht mehr in Vang Vieng. Ab 2012 haben die Tour-Anbieter versucht, ihr Angebot in Richtung Outdoor-Touristen und Familien anzupassen, die heute mehrheitlich in Vang Vieng zu sehen sind. In diese Transformationsphase sind nun auch wir zehn Jahre später wieder zurückgekommen und wir sind ziemlich froh, die jüngste Geschichte von Vang Vieng nicht live miterlebt zu haben. Allerdings sind wir uns nicht sicher, wohin Vang Vieng steuern wird und will, es waren einige Baustellen sichtbar, die stark nach neuen Bars und Vergnügungspontons am Fluss aussahen, aber auch solche, die eher an Resorts erinnerten.

Nach unserer Ankunft am späten Nachmittag suchten wir uns ein Hostel, das von seinem Laubengang einen grandiosen Blick auf den Fluss mit den dahinterliegenden Felsen hatte. Das lud sofort zum Bier beim Sonnenuntergang ein, bei dem wir beobachten konnten, wie sich einige LKW in Ermangelung einer Brücke einfach durch den Fluss den Weg bahnten. Für den nächsten Tag hatten wir eine Kajaktour gebucht und uns graute ein bisschen vor den vielen Touristen, die mit uns auf dem Fluss schipperten. Aber Pustekuchen: Wir waren mit dem Guide alleine und auch während der Tour war von anderen Gästen fast nichts zu sehen. Der Vorteil war, dass wir nur Kajak fahren wollten und nicht eine der üblichen Tubing-, Ziplining-Touren (an Drahtseilen durch den Dschungel gondeln), Dorfbesuche oder Kayak-Kombis gebucht hatten und dann sollte unsere Tour auch noch 15km lang den Fluss hinunter führen (das ist den meisten dann doch zu anstrengend). Eine Gruppe (6 Leute) überholten wir auf dem Wasser und eine andere (ca. 30 Personen), bevor sie in den Fluss gestiegen war. Ansonsten waren wir nur für uns. Es war herrlich. Zwei Stunden paddelten wir in einer friedlich morgendlichen Stimmung den Fluss hinunter durch die sensationelle Landschaft um Vang Vieng. Unsere Bootfahr-Skills konnten wir auch zur Schau stellen: An einer der wenigen anspruchsvolleren „Stromschnellen“ sagte unser Guide noch: „Safe all your belongings“, schipperte die Halbe-Meter-Stufe hinab und kippte um. Wir hingegen meisterten auch dieses Hindernis ohne Probleme und konnten ihm sein Boot retten, welches, glücklich seiner neu gewonnenen Freiheit, mit der Strömung davoneilte. Sehr zufrieden kehrten wir gegen Mittag in unser Hostel zurück, erledigten ein paar organisatorische Dinge am Nachmittag und wiederholten unser Sonnenuntergangsbier vor der Haustür.

Tags darauf mieteten wir uns mal wieder Motos und erkundeten die Landschaft auf eigene Faust. Ziel waren ein paar Höhlen, ein 300m hoher Aussichtspunkt, den wir erklommen und auf dem wir eine tolle Sicht geboten bekamen, sowie zwei Lagunen, in denen man schwimmen konnte. Eine der Lagunen kannten wir von unserem Trip vor zehn Jahren. Damals war sie nur mithilfe von Wegweisungen der Bewohner zu finden, sie konnte lediglich auf einer Schotterpiste erreicht werden und die An- und Abfahrt nahm einen ganzen Tag in Anspruch. Auch deshalb waren wir damals fast die einzigen Touristen, die von den Bäumen ins kühle Nass sprangen (und eine Stunde ganz für sich hatten). Heute führt eine geteerte Straße dorthin, wir mussten am Parkplatz (!) anstehen, Eintritt zahlen und die Lagune mit ca. 200 weiteren Besuchern teilen. Das wäre vielleicht alles nicht so dramatisch gewesen, wenn sich dieser Ort nicht gänzlich in einen kleinen Vergnügungspark verwandelt hätte, der mit einem deutschen Freibad vergleichbar ist, Wasserrutsche, Imbisse, Kioske, Rasenliegeplätze, Umkleiden inklusive, nur anstatt Schwimmflügel gibt es Schwimmwesten. Das Wasser ist immer noch so wunderschön blau und auch das Hineinspringen macht weiterhin Spaß, doch die Atmosphäre ist nur schwer zu ertragen. Paul war so geschockt, dass er das Schwimmen in dieser Lagune auslassen musste, mit einigen Tränen in den Augen saß er nur fassungslos am Rand. Dafür wurde er mit dem Baden in einer 10km weiter entfernten Lagune bei sehr viel geringerem Menschenaufkommen belohnt. Die Vorteile des zunehmenden Tourismus konnten wir aber postwendend erfahren: Der Aussichtspunkt, den wir ebenfalls auf unserer Tour ansteuerten, war nur zu erreichen, weil dort eben für die Touristen so etwas wie ein Pfad angelegt worden war (definitiv nicht TÜV-gerecht), der den meisten aber zu mühselig ist. So durften wir dort unsere Ruhe genießen. Zusammen mit dem Sonnenuntergang ging es zurück nach Vang Vieng, wo wir zum Abendessen bei einem Thai-Deutschen einkehrten, der uns mit ein paar Geschichten an seinem Leben in Laos teilhaben ließ und einen super Kartoffelsalat zubereitete (natürlich ohne Mayo). Unseren Vang Vieng-Aufenthalt beendeten wir am letzten Tag mit einem ausgiebigen Spaziergang ins Grüne, der uns zu einem kleinen Aussichtspunkt und einer weiteren Höhle führte. Am Abend haben wir einen Franzosen, mit echtem Steinofen, Pizza für uns backen lassen und noch einmal den Sonnenuntergang (dieses Mal ohne Bier) genossen, bevor die Rucksäcke wieder gepackt wurden und am nächsten Tag der Bus nach Luang Prabang startete.